Bericht zur Lage des Heilpraktikers für Psychotherapie

eine Zusammenfassung von Moon Stegk, DVP Mitglied

 

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat eine Ausschreibung für ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, mit dem Ziel, auch rechtliche Möglichkeiten für die Abschaffung des Berufstandes des Heilpraktikers (allgemein und sektoral) zu prüfen. Fachverbände haben eine gemeinsame Protestnote an das Bundesgesundheitsministerium gesandt. Eine Petion setzt sich ebenfalls für den Erhalt des Heilpraktikerberufs ein.

Seit vielen Jahren gibt es regelmäßig wiederkehrende Bestrebungen, das Heilpraktikergesetz (HeilprG) und damit den Berufsstand des Heilpraktikers ersatzlos zu streichen. Zum Anlass genommen werden meist Einzelfälle, bei denen PatientInnen, die sich in Behandlung eines Heilpraktikers befanden, gesundheitlichen Schaden nahmen oder verstarben. Diese Fälle werden dann medienwirksam dafür benutzt, HeilpraktikerInnen generell als Gefahr für die Volksgesundheit darzustellen. Diese emotional sehr aufgeheizten Debatten verlieren zwei Dinge vollkommen aus den Augen:

1. Menschen machen Fehler.
Jeder Behandlungsfehler, der Leiden verlängert oder Schaden zufügt, kann entsetzliche Folgen für die Betroffenen haben und zwar vollkommen unabhängig davon, welcher Berufsgruppe der Behandler, dem ein Behandlungsfehler unterläuft, angehört.

2. Behandlungsfehler vollständig auszuschließen, ist unmöglich.
Behandlungsfehler müssen auf ein absolutes Minimum reduziert werden. Diesem Ziel kann am Besten nahe gekommen werden, wenn Behandler gut aufgebildet sind (s.u.).

Üblicherweise fokussieren diese Angriffe auf Behandlungen durch allgemeine Heilpraktiker und damit auf Heilbehandlungen bei körperlichen Erkrankungen. Gleichermaßen wird aber auch die Abschaffung des sektoralen Heilpraktikers verfolgt, wodurch HeilpraktikerInnen beschränkt auf das Gebiet der Psychotherapie ebenfalls von einem Berufsverbot betroffen wären.

Das Problem beim HeilprG ist, dass zur Erlangung einer Heilerlaubnis für die erwerbsmäßge Ausübung der Psychotherapie in der amtsärztlichen Überprüfung des zuständigen Gesundheitsamtes nur theoretische Kenntnisse (z.B. Psychopathologie, Diagnostik, Psychopharmakologie, Gesetzeskunde) überprüft werden.
Kein Bestandteil der Zulassung zur HeilpraktikerIn für Psychotherapie ist eine Grundausbildung in einem psychotherapeutischen Verfahren. Entsprechendes gilt für allgemeine Heilpraktiker. Auch hier gehört eine vertiefte Ausbildung in einem Behandlungsverfahren nicht zu den Voraussetzungen für die Erlangung einer Heilerlaubnis nach HeilprG.

„Schwarze Schafe“ gibt es in jedem Berufsfeld. Das können auch sehr gute Ausbildungsbestimmungen nicht verhindern. Das Fehlen von Mindestvorgaben bzgl. einer fachbezogenen therapeutischen Ausbildung kann aber begünstigen, dass allgemeine oder sektorale HeilpraktikerInnen für ihren Tätigkeitsschwerpunkt nicht ausreichend ausgebildet sind und sich dadurch die Gefahr von Behandlungsfehlern erhöhen kann.
Dagegen steht die große Anzahl von HeilpraktikerInnen, die durch ihre Mitgliedschaft in Berufs- und Fachverbänden einen guten oder sehr guten Ausbildungsstand nachweisen können.
HeilpraktikerInnen für Psychotherapie, die Mitglied in einem der nachfolgenden Verbände sind, können minimal folgende Anzahl von psychotherapeutischen Ausbildungsstunden nachweisen:

HeilpraktikerInnen für Psychotherapie können darüberhinaus einen Umfang an psychotherapeutischen Aus-, Fort- und Weiterbildungsstunden aufweisen, die die von den Verbänden gefordeten Mindestqualifikationen sehr deutlich überschreiten, wobei jede einzelne Ausbildungsstunde privat finanziert muss. Staatliche Programme zur Finanzierung von Ausbildungen in einem Psychotherapieverfahren für HeilpraktikerInnen für Psychotherapie existieren nicht.
Obwohl es keine gesetzliche Verpflichtung zur Absolvierung einer fundierten psychotherapeutischen Grundausbildung sowie für fortlaufende qualitätssichernde Maßnahmen gibt, zeigen HeilpraktikerInnen für Psychotherapie damit, dass sie ihrer beruflichen Verantwortlichkeit bewusst sind und aus eigenem Antrieb und mit eigenen finanziellen Mitteln für teilweise außerordentlich gute Qualifikationen sorgen. (vgl. TherapeutInnen, Ausbildungsstunden der AK-HPP-HL-Mitglieder)
Berufs- und Fachverbände kämpfen daher seit Jahren um die Anerkennung des „Heilpraktischen Psychotherapeuten“ als gleichwertigen Berufsstand neben den ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten. Die Forderung beinhaltet die Berechtigung zu Abrechnung mit deutschen Krankenkassen für HeilpraktikerInnen für Psychotherapie, die psychotherapeutische Qualifikationen auf dem Niveau des Europäischen Zertifikats für Psychotherapie (s.u.) nachweisen können.

Berufs- und Fachverbände für Psychotherapie sind schon vor langer Zeit in Vorleistung gegangen und haben entsprechende Konzepte in Bezug auf Art und Umfang psychotherapeutischer Mindestqualifikationen entwickelt.
Die European Association for Psychotherapie (EAP) unterhält den höchsten professionellen Standard für psychotherapeutisch Tätige in Europa und vergibt auf Antrag das European Certificate of Psychotherapy (ECP). Der Deutsche Dachverband für Psychotherapie (DVP) bearbeitet in Deutschland ECP-Anträge in erster Instanz, prüft die Nachweise der psychotherapeutischen Qualifikationen der AntragstellerInnen und leitet die Anträge an europäische Kontrollorgane weiter. AntragstellerInnen müssen für die Erteilung des Europäischen Zertifikats für Psychotherapie (ECP) folgende Mindestqualifikationen nachweisen:

  • Ausbildungsdauer gesamt: 7 Jahre
    • 3 Jahre Hochschulstudium oder gleichwertige Ausbildung in den Human- oder Sozialwissenschaften
    • 4 Jahre psychotherapeutische Ausbildung
  • Ausbildung gesamt: mind. 3.200 Stunden
  • Psychotherapieausbildung: mind. 1.400 Stunden
    • 250 Stunden Selbsterfahrung
    • 500 – 800 Stunden Theorie
    • 300 Stunden eigene psychotherapeutische Behandlungen unter Supervision
    • 150 Stunden Supervision
    • 3 Jahre Berufserfahrung nach Abschluss der Therapieausbildung
  • Von den 1400 Stunden müssen mindestens 2/3 in von der EAP anerkannten Verfahren absolviert werden. 1/3 muss zusammenhängend in einem anerkannten Verfahren absolviert werden.

Als Psychologischer Psychotherapeut erfüllt man nicht automatisch die Kriterien für das ECP, „da das ECP 250 Stunden Selbsterfahrung (statt den 120 in der deutschen Ausbildung) erfordert.“
Zum Erhalt des ECP müssen kontinuierliche Maßnahmen zur Qualitätssicherung (Fort-/Weiterbildung, Supervision, Intervision, u.a.) in Höhe von mindestens 250 Stunden innerhalb von fünf Jahren nachgewiesen werden. „Das ECP wird als von nationalen Gesetzen unabhängiges Qualitätsmerkmal gesehen.

Dessen ungeachtet wird die Abschaffung eines ganzen Berufsstandes vorangetrieben, der Therapievielfalt in Deutschland erst möglich macht. Während in Deutschland nur drei Richtlinienverfahren (Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Psychoanalyse, Verhaltenstherapie) anerkannt sind und von Krankenkassen bezahlt werden, sind im europäischen Ausland weitere Psychotherapieverfahren zugelassen. In Österreich sind 23 und in der Schweiz sind 28 Psychotherapieverfahren fester Bestandteil der psychotherapeutischen Versorgung. 21 Psychotherapieverfahren werden für den Erhalt des Europäischen Zertifikats für Psychotherapie akzeptiert.

HeilpraktikerInnen für Psychotherapie sind überwiegend in einem oder auch mehreren der mehr als 20 Psychotherapieverfahren ausgebildet, die in anderen europäischen Ländern geprüft und anerkannt sind. Alle Psychotherapieverfahren, die keine Kassenzulassung haben, werden rechtlich unter dem Heilpraktikergesetz durchgeführt. Ein Verbot von Psychotherapie HeilprG würde den Verlust von über 20 Therapieverfahren für die psychotherapeutische Behandlung zur Folge haben.

Der Bedarf an Psychotherapieplätzen übersteigt bei Weitem die Kapazitäten der approbierten PsychotherapeutInnen mit Kassenzulassung. Wartezeiten von 6 Monaten sind üblich. Bei schweren komplexen Traumafolgestörungen warten die Betroffenen teilweise Jahre auf eine ambulante psychotherapeutische Behandlung. An dem strukturellen Mangel an kassenfinanzierten Therapieplätzen konnte auch die Reform der Psychotherapie-Richtlinie nichts ändern.

Etwa 200.000 – 400.000 PatientInnen sind lt. verschiedener Fachverbände in psychotherapeutischer Behandlung bei HeilpraktikerInnen für Psychotherapie mit fundierten fachbezogenen Kenntnissen. HeilpraktikerInnen für Psychotherapie tragen damit zur einer gewissenhaften psychotherapeutischen Versorgung von PatientInnen bei, die nicht monatelang auf einen Therapieplatz warten wollen und die eine Behandlung mit Psychotherapieverfahren schätzen, die im europäischen Ausland zum psychotherapeutischen Standard gehören. Dafür sind PatientInnen bereit, ihre psychotherapeutische Behandlung privat zu bezahlen. Psychotherapie nach den Heilpraktikergesetz entlastet das deutsche Gesundheitswesen daher auch finanziell ganz erheblich. Der Wegfall von mehreren hundertausend Therapieplätzen würde zu einer noch stärkeren Überlastung der Krankenkassen führen. PatientInnen würden noch länger auf eine Behandlung warten müssen.

Eine gemeinsame „Initiative Rechtsgutachten zum Heilpraktikerrecht“ verschiedener Berufs- und Fachverbände hat eine Gemeinsame Protestnote hinsichtlich des vom Bundesgesundheitsministeriums in Auftrag gegebenen Rechsgutachtens zum Heilpraktikerrecht verfasst. Federführend sind der Deutsche Dachverband für Psychotherapie (DVP), die Gesellschaft für Psychotraumatologie, Traumatherapie und Gewaltforschung (GPTG) und der Berufverband Akademischer Psychotherapeuten (BAPt).
Im Februar 2020 unterzeichneten die unten aufgeführten Verbände eine Gemeinsame Protestnote.

„[…] würden etliche hoch qualifizierte psychotherapeutisch tätige Kolleginnen und Kollegen ihren Beruf nicht mehr ausüben können und die Psychotherapielandschaft würde auf wenige Verfahren reduziert. So dürfe ein Diplom-Psychologe mit einer fundierten Ausbildung in Gestalttherapie nicht mehr praktizieren […] Den Kolleginnen und Kollegen ohne Approbation werden oft generalisiert Ausbildungsdefizite sowie die Anwendung unwissenschaftlicher Verfahren unterstellt, ohne hier klarer zu differenzieren. […]
Mehrere Studien verweisen immer wieder auf den Versorgungsmangel in der Psychotherapie[…] Viele entscheiden sich daher, privat finanzierte Psychotherapie in Anspruch zu nehmen. Ebenso spielt der Wunsch nach einer anderen, als vom Gesundheitssystem akzeptierten Methode eine wesentliche Rolle bei der Wahl eines nicht approbierten Therapeuten.
Eine Abschaffung des Heilpraktikers für Psychotherapie würde eine Reduzierung der Wahl der Behandlungsmethode auf zurzeit drei psychotherapeutische Verfahren beschränken. Dies wäre eine massive Einschränkung der Wahlfreiheit der Patienten.
Es ist unseres Erachtens nicht hinzunehmen, dass durch die Abschaffung des Heilpraktikers für Psychotherapie etliche alternative und nachweislich wirkungsvolle Methoden aus der psychotherapeutischen Landschaft verschwinden würden. Eine zielführende, fachkundige Diskussion sollte vielmehr auf eine Anhebung der Ausbildungs- und Qualitätsstandards fokussieren. 
[…] Der Verbund der unterzeichnenden Fachverbände sieht hier einen fruchtbaren Ansatz, um die umschriebene Diskussion in eine bereichernde Richtung zu führen, nämlich Qualitätssicherung in der Aus- und Weiterbildung statt Abschaffung bestehender und akzeptierter Berufsstände. Ebenso ist es unser Anliegen, mündigen Patienten die Wahl der für sie richtigen Behandlung zu ermöglichen. Eine Abschaffung des Berufsstandes des Heilpraktikers für Psychotherapie lehnen wir strikt ab.

Die Protestnote wurde von folgenden Methoden- und Fachverbänden mitgetragen und unterzeichnet:
Deutscher Dachverband für Psychotherapie (DVP)
Berufverband Akademischer Psychotherapeuten (BAPt)
Gesellschaft für Psychotraumatologie, Traumatherapie und Gewaltforschung (GPTG)
Deutsche Vereinigung für Gestalttherapie (DVG)
Arbeitsgemeinschaft Humanistische Psychotherapie (AGHPT)
Deutsche Gesellschaft für Positive und Transkulturelle Psychotherapie (DGPP)
Deutsche Gesellschaft für Körpertherapie (DGK)
Berufsverband der Therapeuten für Psychotherapie nach dem Heilpraktikergesetz (BVP)
Deutscher Verband für Neurolinguistisches Programmieren (DVNLP)
Deutsche Psychosynthese Gesellschaft (DPG)
Deutsche Gesellschaft für Transaktionsanalyse (DGTA)
Der DVP hat Hintergrundinformationen und weiterführende Links auf seiner Website zusammengestellt:
BMG vergibt Rechtsgutachten zur Abschaffung des Heilpraktikers für Psychotherapie (DVP)

Der Bund Deutscher Heilpraktiker und Naturheilkundiger (BDHN) und der Bund Deutscher Heilpraktiker (BDH), in dem allgemeine HeilpraktikerInnen organisiert sind, setzen sich ebenfalls für den Erhalt des Heilpraktikerberufes ein und haben in der gemeinsamen IQHP – Initiative für Qualitätssicherung im Heilpraktikerberuf „im Dezember 2019 an das Bundesgesundheitsministerium den neuen Leitlinien-Katalog IL4HP übergeben. Das 115seitige Schriftwerk steht für die Heilpraktiker-Ausbildung mit einem Curriculum von insgesamt 9.872 Lernpunkten und vermittelt explizit die Stellung und Tätigkeit des Heilpraktikers in der medizinischen Versorgung der Patienten in Deutschland. Darüber hinaus werden die Anforderungen für Heilpraktiker-Praxen in bezug auf die Qualitätssicherung dokumentiert.

In der Petition „Erhaltung des Heilpraktiker Berufes“ wird der Erhalt des Heilpraktikerberufes und seines Kompetenzspektrums“ gefordert. Weiter heißt es: „Der Heilpraktikerberuf hat als einziger nichtärztlicher und freier Heilberuf in Deutschland eine lange Tradition, deren Wurzeln weit über das Heilpraktikergesetz hinausreichen. […] Zum Berufsbild gehört daher auch der Erhalt, die Pflege und Weiterentwicklung des traditionellen naturheilkundlichen Wissens in all seinen Facetten.“ […]  „Für die Sicherstellung einer umfassenden naturheilkundlichen Versorgung der Bevölkerung übernimmt die Heilpraktikerschaft nachweislich eine wesentliche Schlüsselrolle. Gemäß einer Umfrage des Berufsverbandes Bund Deutscher Heilpraktiker (BDH) suchen deutschlandweit täglich etwa 128.000 Menschen eine/n HeilpraktikerIn auf. HeilpraktikerInnen praktizieren in etwa 47.000 Praxen, die zudem bis zu 60.000 angestellte Mitarbeiter beschäftigen. Jährlich kommt es zu etwa 46 Millionen Patientenkontakten.

Das Heilpraktikergesetz sichert eine große Methodenvielfalt und Wahlfreiheit für PatientInnen. Gut ausgebildete HeilpraktikerInnen für Psychotherapie leisten mit effektiven Behandlungsmethoden täglich sorgfältige und zuverlässige Patientenversorgung.
Anstatt einen Heilberuf gänzlich abzuschaffen, sollten die von Berufs- und Fachverbänden vorgelegten Konzepte für Ausbildungs- und Qualitätsstandards in Form einer gesetzlichen Bestimmung dem Heilpraktikerberuf einen festen Platz im deutschen Gesundheitswesen zusichern.
Qualitätsstandards wie das Europäische Zertifikat für Psychotherapie (ECP) können als verbindliche Regelung für psychotherapeutische Ausbildung und qualitätssichernde Maßnahmen die Leistungen von HeilpraktikerInnen für Psychotherapie transparent gestalten und für überprüfbare Sicherheit in der Patientenversorgung sorgen.